% vim: textwidth=75 \documentclass[a4paper,11pt]{article} \usepackage[german]{babel} \usepackage{epsfig} \usepackage{verbatim} %\usepackage[]{footbib} \usepackage[titleformat={italic,commasep},% authorformat={citationreversed,reducedifibidem},% ibidem={strictdoublepage,name&title}, % lookforgender,% commabeforerest,% endnote,% crossref={long},% bibformat={ibidem,compress,raggedright}]{jurabib} %\AddTo\bibsgerman{\renewcommand*{\urldatecomment}{Abruf: }} % % \AddTo\bibsgerman{ \def\bibidemSmname{---}\def\idemSmname{Ders.} % \def\bibidemsmname{---}\def\idemsmname{ders.} } \newcommand{\tilda}{\def\~{}} \newcommand{\grad}{\ensuremath{^\circ}} \usepackage{german} %\selectlanguage{\austrian} \usepackage[breaklinks=true]{hyperref} \hypersetup{ pdfauthor = {Alexander \"Olzant}, pdftitle = {Die soziale Konstruktion von Geschlechtszugeh\"origkeit}, pdfsubject = {gender studies}, pdfkeywords = {"soziales Geschlecht" gender sex Transsexualit\"at }, pdfcreator = {LaTeX with hyperref package}, pdfproducer = {dvips + ps2pdf}} \begin{document} \titlepage \title{Die soziale Konstruktion von Geschlechtszugeh\"origkeit\\ \vskip10em nach Stefan Hirschauer\\ 190.663\\ Gender Mainstreaming als Schulentwicklung\\ bei Mag$^{a}$ Claudia Schneider } \author{Alexander \"Olzant\\ alexander@oelzant.priv.at\\ 9301547\\ E 190 884 423} \maketitle \thispagestyle{empty} \newpage \tableofcontents \newpage \section{Einleitung} \begin{quote} Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es \\ On ne na\^it pas femme: on le devient\\ Simone de Beauvoir\footnote{\cite[S. 334]{sdb1949d}} \end{quote} \begin{quote} Der Rassenwahn ist unter anderem auch die Reaktion dagegen, da\ss{} der Begriff der Gleichheit fordert, jedermann als meinesgleichen anzuerkennen \\ Hannah Arendt\footnote{\cite[S. 140]{arendt1951}} \end{quote} W\"ahrend die Gleichsetzung biologischen und sozialen Geschlechts (Gender) intuitiv \glqq logisch\grqq{} und normal erscheint, zeigen genauere Untersuchungen, dass es sich dabei nicht nur um Sozialisationsph\"anomene handelt, sondern dass Gender von einem genauer zu definierenden biologischen Geschlecht auch weitgehend unabh\"angig ist. Dass gerade diese Definition aber wiederum Ergebnis eines Diskurses ist, belegen etwa Thomas Laqueur\footnote{\cite{laqueur1992} Der Autor beschreibt hier den Jahrhunderte w\"ahrenden \"Ubergang von einer galenischen ``one-sex'' Theorie mit vertikaler Ordnung zwischen zwei geschlechtlichen Varianten eines K\"orpers und einer \glqq modernen\grqq{} dichotomen Unterscheidung mit genau zwei biologischen Geschlechtern, die allen K\"orpern oktroyiert wird.} und Judith Butler\footnote{\cite{butler1993}}. Auch Hirschauer thematisiert das kurz: \glqq Ein Rekurs auf \glq nat\"urliche Unterschiede\grq ist immer ein Rekurs auf biologisches {\em Wissen}. Bei einer symmetrischen Betrachtung, die eine wissenssoziologische Perspektive nicht nur im Verh\"altnis zu den anthropologisch berichteten Ethnophysiologien einnimmt, sondern auch zu den Naturwissenschaften und den von ihnen beschriebenen \glq nat\"urlichen Tatsachen\grq{}, zeigt sich der uns bekannte K\"orper als eine kulturell spezifische Konstruktion\grqq\footnote{\cite[S. 23]{hirsch1999}}. Interessante Randaspekte bestehen in der Beschreibung von Effekten und Problemen der Anwendung von Gender auf virtuelle R\"aume, wie das etwa Julian Dibell f\"ur das MUD (multi user dungeon) LambdaMOO\footnote{\cite{dibbell1998} besonders interessant ist das auch auf der Homepage des Autors {\tt http://www.juliandibbell.com/texts/bungle\_{}vv.html} online verf\"ugbare Kapitel A Rape in Cyberspace} tut und die Analyse von ``Chatrooms'' und IRC (Internet Relay Chat).\footnote{\cite[2.2.1.2]{neuage2004} Neuage zitiert hier unter anderem Daphne Dessers \glqq Gender Morphing in Cyberspace\grqq{} (2000): ``It is clear to me that the ability to mask one's off-line gendered identity and to `morph' among various gender instructions does not necessarily empower women or create safer spaces for them. Rather, these on-line experiments present a bewildering array of possibilities to learn more about how the power of sexism, racism, and homophobia persist despite even our most conscious attempts to eradicate them.''} Um das Grundph\"anomen des diskursiven Entstehens eines Genderverst\"andnisses im t\"aglichen Umgang zu verstehen, erscheinen jedoch die f\"ur diesen Text haupts\"achlich herangezogenen Beobachtungen von Michael Kimmel am passendsten, der auf Grund der Arbeit mit transsexuellen M\"annern und Frauen deren Erfahrungen und Probleme beim Erwerben des neuen Gender beschreibt. Hier liegt auch ein systematisches Problem der Transsexuellen: \begin{quote} Wenn man die Geschlechtszugeh\"origkeit so umschreibt, stellt man an Transsexuellen frappierenderweise fest, da\ss{} sie sich gegen die M\"oglichkeit einer subkulturellen Ausgrenzung bedingungslos in die Geschlechtsnormalit\"at einschlie\ss{}en. Sie beanspruchen, zu denen zu geh\"oren, von denen und mit denen sie wissen, da\ss{} sie zeitlebens entweder M\"anner oder Frauen sind. Nicht kritische Distanz, sondern gr\"o\ss{}te Loyalit\"at zur kulturellen Ordnung kennzeichnet die meisten von ihnen.\footnote{\cite[S. 51]{hirsch1999}} \end{quote} In diesem Licht muss Gender Mainstreaming mit allen Facetten von genderneutraler Sprache bis zur bevorzugten Einstellung von Frauen bei gleicher Qualifikation als Mittel gesehen werden, auf Ungleichheiten erst einmal aufmerksam zu machen, um sie beseitigen zu k\"onnen und letztendlich nicht nur soziales, sondern auch biologisches Geschlecht als dichotome Unterscheidungskategorie zu \"uberwinden. Auf dem Weg dahin k\"onnen jedenfalls auf Basis der Sapir-Whorf-Hypothese\footnote{\cite{oksaar2003,wode1988, wode1995,whorf1964,jakobson1974}: Der Anthropologe Edward Sapir und sein Sch\"uler Benjamin Whorf formulierten bereits in den 1950ern ihre Hypothese, dass sprachliche Differenzen auch die Denkkategorien beeinflussen und belegten diese mit eindrucksvollen Studien \"uber Differenzen in der zeitlichen Wahrnehmung zwischen SprecherInnen indogermanischer Sprachen und jenen, die mit der Sprache der Hopi Native American Speakers aufwuchsen, in der zeitliche Ausdr\"ucke als Prozess im Gegensatz zu den (grammatikalisch gesehen) \"ortlichen Metaphern des ``Standard Average European'' (SAE) gesehen wird \cite[nach http://en.wikipedia.org/wiki/SapirWhorfHypothesis]{whorf1964}. Bisweilen wird die Sapir-Whorf-Hypothese auch als {\em Prinzip der linguistischen Relativit\"at} bezeichnet. } Splitting und andere Konstrukte gegenderter Sprache zu einer verst\"arkten Kenntlichmachung der dichotomen Geschlechter in der Sprache dienen. \clearpage \section{Geschlechtswahrnehmung} Bereits die Feststellung des Geschlechtes einer/eines Neugeborenen ist eine konstruktive Feststellung, die aber auf Grund biologischer, als prim\"are Geschlechtsmerkmale betrachteter Eigenschaften getroffen und daher nicht als solche wahrgenommen wird. Gem\"a\ss{} der \"ublichen Blickkonvention wird sp\"ater einer zu bedeckenden Bl\"o\ss{}e Blicksignifikanz verliehen, wodurch die Verh\"ullung symbolische Signifikanz erh\"alt. Hirschauer bezeichnet dies als {\em kulturelle Genitalien}, als traditionelle Insignien - unabh\"angig vom allf\"alligen Verlust der Geschlechtsorgane\footnote{\cite[S. 26]{hirsch1999} nach {Kessler/McKenna 1978: S. 155}}. Es handelt sich aber um einen komplizierten {\em Attributionsprozess}\footnote{\cite[ S. 27]{hirsch1999}}, auf Grund des Alltagswissens wird eine Entscheidung f\"ur die Wahrnehmung eines Genders (und nicht des anderen) getroffen. Dabei kann verschiedensten Objekten eine Geschlechtsbedeutung zugeschrieben werden, etwa Kleidungsst\"ucken, Frisuren, Gesten, K\"orperhaltungen, T\"atigkeiten, \"Ortlichkeiten, Namen, Pronomina und anderen W\"ortern\footnote{\cite[]{hirsch1999}}. Hirschauer spricht aber auch von einem zirkul\"ar hergestellten Sinnzusammenhang bei heterogenen kulturellen Objekten: von M\"annern getragene Kleidungsst\"ucke werden als m\"annlich erkannt, als Mann kann andererseits nur gelten, wer \glqq m\"annliche\grqq{} Geschlechtsindizien (Kleidungsst\"ucke, \dots) gebraucht. Kognitionspsychologischen Studien, welche ``terti\"are Geschlechtsmerkmale'', also {\bf psychische und kulturspezifische soziale und sich im Verhalten zeigende Geschlechtsmerkmale} als ``im Prinzip bekannt'', in der Menge begrenzt und am K\"orper orientiert sehen und damit eine Fragestellung nach dem {\bf woran} der Erkennung einer Geschlechtszugeh\"origkeit zu ergr\"unden suchen, verfehlen damit ein {\bf wie} der gleichen Fragestellung\footnote{\cite[ S. 29, Begriff nach Birdwhistell 1970]{hirsch1999}}. Hirschauer weist hier auf den Unterschied in der Geschlechts- und Rassenattribution hin, da bei ersterem die Signifikanz durch eine Mystifizierung erreicht wird, indem K\"orperteile dem Blick entzogen werden, wie auch in einem der zahlreichen Interviews mit Transsexuellen offenbar wird: \begin{quote} Klaus hat sich vorgenommen, wenn er nochmal dreist nach seinem Geschlecht gefragt wird, mit dem Tip seiner Freundin zu kontern, \glqq{}soll ichs Dir {\bf zeigen} oder was?!\grqq\dots \glqq vor'n paar Tagen bin ich inner Fu\ss{}g\"angerzone \dots geh da lang, will mir Zigaretten holn, sitzt da drau\ss{}en 'n Tr\"uppchen M\"adchen, alle sch\"on kicher und guck und dies und das, und ich denk {\bf ah! ja. gleich} kommt die Frage! was sagste? (({\em schnippt mit den Fingern})) genau! (({\em reibt sich in \glq{}Vorfreude\grq die H\"ande})) -- komm aus'm Zigarettenladen, geh an denen vorbei und {\bf prompt} (({\em leiernd:})) bist du'n {\bf Junge} oder'n {\bf M\"adchen} -- ich mein, soll ich's Dir {\bf zeigen} oder was ( ) ich bin 'n Typ willstes {\bf sehn} oder was, ne? oder so -- mich schon gefreut, sagt die eine, joo, komm mal her -- (({\em schl\"agt die Faust in die Handfl\"ache})) Schei\ss{}e! ne? (({\em grinst})) \dots (({\em \"argerlich-traurig:})) da\ss{} die das nicht {\bf sehn!} ne? -- da\ss{} ich'n Mann bin, oder (wirklich) ich hatte noch'n langen Mantel an und so da {\bf konnte!} man nichts sehen, irgendwie absolut nich ne?\grqq \footnote{\cite[ S. 29f]{hirsch1999}} \end{quote} Hier kristallisiert sich eine Kernaussage Hirschauers heraus: dass Geschlechtszugeh\"origkeit interaktiv genau dann funktioniert, wenn sie nicht hinterfragt wird, nat\"urlich erscheint, er zitiert dabei Gregory P. Stone ``Seldom, upon encountering another, do we inquire con- cerning the other's gender. Indeed, to do so would be to impugn the very gender that must be established''\footnote{\cite[nach G. Stone 1962, ``Appearance and the Self,'' Pp. 86-118 in Human Behavior,][S. 30]{hirsch1999}} und erl\"autert weiter, dass eine Verwechslung einerseits als beleidigend und andererseits auch als blamabel gilt. Widerspr\"uchliche oder fremdartige Eindr\"ucke werden daher eher ausgeblendet, um eine eindeutige Identifikation zu erm\"oglichen; wird bewusst auf Zweideutigkeiten geachtet, ist eine eindeutige Geschlechtszuordnung erschwert, wie auch ein weiteres Zitat berichtet: \begin{quote} \glqq weil du h\"aufig komischerweise auf der Stra\ss{}e nur noch Transen siehst ne? also da gehst n\"aher und denkst, och das w\"ar auch ne tolle Frau geworden oder'n toller Mann [\dots]\grqq\footnote{\cite[ S. 31f]{hirsch1999}} \end{quote} Es handelt sich dabei also nicht um die Entzifferung von naturgegebenen Tatsachen, sondern um einen Konstruktionsprozess, der Entscheidungszw\"ange, Fortschreibungszw\"ange, Entzifferungszw\"ange, Anerkennungszw\"ange mit sich bringt, da eine Verwechslung blamabel w\"are. Auch der Konstruktionsprozess ist aber keine starre Interpretation des/der BetrachterIn, sondern wird interaktiv mit der/dem DarstellerIn betrieben, indem erkannte Gendermerkmale mit entsprechenden Reaktionen bedacht werden, als Geschlechtsindizien werden etwa Kinetik, Mimik, Gestik, Kleidung, Stimme, Sprechweise\footnote{\cite[ S. 33]{hirsch1999}} angef\"uhrt. Auch {\em Paarwahrnehmung} und andere Identifikationsm\"oglichkeiten \"uber Kontraste im sozialen Umgang werden erw\"ahnt, ferner die Entzifferung \"uber gegenderte R\"aume (Toilette, Frauenklinik), aber auch lokale Bekanntheit\footnote{\cite[daraus kann sich dann die Notwendigkeit zu einem mehr oder weniger lange aufrechtzuerhaltenden Doppelleben entwickeln,][S. 57]{hirsch1999}}. \section{Geschlechtsdarstellung} \begin{quote} The naked girl was positioned so that the light would hit her bare shoulders and partially exposed chest. This was supposed to be a natural position, though any transvestite could tell you that naturalness wasn't easy to achieve. Although, according to one of the writers of the exhibition catalogue, Renoir had ``an instinct'' for it. Naturalness, that is, not transvestism. Lynne Tillman\footnote{\cite[p. 49]{tillman1992}} \end{quote} Entgegen der langj\"ahrigen soziologischen Tradition, die das Geschlecht als ``zugeschriebenen'' ({\em askriptiven}) Status betrachtete\footnote{\cite[nach Linton 1936,][S. 38]{hirsch1999}}, wurde sp\"atestens seit den 60er-Jahren von einem Erwerb dieses Status durch ``Geltungsarbeit''\footnote{\cite[nach Garfinkel 1967]{hirsch1999}} gesprochen. Zwar muss der K\"orper dabei als Darstellungmaterial herhalten, was besonders f\"ur Transsexuelle Nachteile bringen kann (Adamsapfel, Brust, \dots), weil ihnen kulturell normale Geschlechtsbilder nicht ``auf den Leib geschnitten'' sind\footnote{\cite[Hirschauer weist allerdings explizit darauf hin, dass (seiner Meinung nach) besonders Frauen(k\"orpern) auch die Geschlechtsbilder ``sicher nicht auf den Leib geschnitten'' sind,][S. 42]{hirsch1999}}. Eine weitere Dimension in der Geschlechterinszenierung ist die Intensit\"at oder Signifikanz\footnote{\cite[ S. 43]{hirsch1999}}, welche in den beiden Extremf\"allen eine \"Uberzeichnung (z. B. besonders auff\"allige, ``vampartige'' Schminke) oder androgyne Unterrepr\"asentation\footnote{\cite[ S. 43ff]{hirsch1999}} zeigen k\"onnen. Auch Unsicherheit, etwa in Form von verstohlenen Blicken zum/zur BetrachterIn, k\"onnen die Vertrauensw\"urdigkeit von Geschlechtszeichen herabsetzen, auf der anderen Seite k\"onnen mehrere Anwesende sich mit \"ahnlichen Blicken aber auch \"uber den Status der betrachteten Person austauschen, Verdacht erregen oder best\"atigen\footnote{\cite[ S. 44]{hirsch1999}}. \section{Reproduktion von Geschlechtskonstruktionen} \begin{quote} Es mu\ss{} ja einen Menschen schon in die Krankheit f\"uhren, wenn er selber so wenig Neues erlebt, sich immerzu wiederholen mu\ss{}, ein Mann zum Beispiel bei\ss{}t mich ins Ohrl\"appchen, aber nicht weil es mein Ohrl\"appchen ist oder weil er, vernarrt in das Ohrl\"appchen, unbedingt hineinbei\ss{}en mu\ss{}, sondern er bei\ss{}t, weil er alle anderen Frauen auch in die Ohrl\"appchen gebissen hat, in kleine oder gr\"o\ss{}ere, in rotblaue, in blasse, in f\"uhllose, in gef\"uhlvolle, es ist ihm v\"ollig gleich, was die Ohrl\"appchen dazu meinen. Du mu\ss{}t zugeben, da\ss{} das ein folgenreicher Zwang ist, wenn man sich, ausger\"ustet mit einem mehr oder weniger gro\ss{}en Wissen und einer in jedem Fall geringen Anwendungsm\"oglichkeit dieses Wissens, auf eine Frau st\"urzen muss, wom\"oglich jahrelang, einmal, das geht ja noch, einmal h\"alt das ja jede aus.\\ Ingeborg Bachmann\footnote{\cite[S. 283f]{bachmann1980}} \end{quote} Aus dem Zusammenspiel von Geschlechtsdarstellungen und -attributionen konstruiert Hirschauer eine interaktive Geschlechterinszenierung, die er {\em Geschlechtszust\"andigkeit}\footnote{\cite[S. 49]{hirsch1999}} nennt. Diese ist implizit Teil der Gesellschaftszugeh\"origkeit, da traditionell jedEr entweder m\"annlich oder weiblich ist, und ein Geltungsverlust bez\"uglich der dichotomen geschlechtlichen Wahrnehmung einen Achtungsverlust mit sich bringen w\"urde -- die Gefahr ist also nicht so sehr, als das falsche Geschlecht gesehen zu werden, sondern als ein Drittes, Zweideutiges, Anormales\footnote{\cite[ S. 50, nach Garfinkel 1967]{hirsch1999}}. Mit den Anspr\"uchen und Rechten, die ein vollwertiges (Gesellschafts- oder Geschlechts-)Mitglied hat, gehen auch Verantwortungen und Pflichten der Geschlechterinteraktion einher, anders gesagt, der Geschlechtstitel, der Zugang zum Darstellungsrepertoire erlaubt und Anspruch auf ``respektbekundende Behandlungsweise'' mit sich bringt, bedingt auch eine Rechenschaftspflicht bez\"uglich K\"orperbeschaffenheit, Repr\"asentation der entsprechenden Geschlechtlichkeit, kompetenter Darstellung und des korrekten Umgangs mit dem Repertoire (cf ``tuntiges Verhalten'' als ``Verschandelung'')\footnote{\cite[S. 51f]{hirsch1999}}. Ein Wechsel zwischen den Geschlechtern ist alleine also nicht m\"oglich, da die Repr\"asentation eines Gender durch einEn DarstellerIn auch die Verleihung der Geschlechtsgeltung durch BetrachterInnen verlangt. Dabei bestehen drei Abh\"angigkeiten\footnote{\cite[ S. 55]{hirsch1999}}, die es gesellschaftlich erstrebenswert machen, die interaktive Genderkonstruktion fortzuschreiben und mitzutragen: \begin{enumerate} \item Nicht nur kulturelle Ressourcen, auch gegenseitige W\"urde wird bewahrt. \item Die kognitiven Integrit\"at und der Glaube an die Alltagsintegrit\"at werden aufrechterhalten. \item Durch die Wahrung der Selbstwahrnehmung (\"uber Reaktionen) wird die Gefahr des Identit\"atsverlustes gebannt, die ansonsten best\"unde, wenn das Geschlecht des/der Anderen nicht gesichert w\"are. \end{enumerate} Hirschauer beschreibt im Zusammenhang mit der ``sozialen Haut'' auch die Problematik der emotionalen Verwachsenheit von TeilnehmerInnen mit ihrer Geschlechtszust\"andigkeit und zitiert (mehrmals) Goffman: \begin{quote} Anerkannte Eigenschaften und ihre Beziehung zum Image machen aus jedem Menschen seinen eigenen Gef\"angnisw\"arter; dies ist ein fundamentaler sozialer Zwang, auch wenn jeder Mensch seine Zelle gerne mag. \footnote{Goffman (1971), zitiert \cite[ S. 60]{hirsch1999}} \end{quote} Das erinnert wohl nicht zuf\"allig an die ``Disziplinen'', die Foucault in ``\"Uberwachen und Strafen''\footnote{\cite{mf1976d}, dem Thema mehr angemessen aber auch \cite{mf1978d}} ausmacht und in ``\"Uber Hermaphrodismus''\footnote{\cite{mf1978d2}} annotiert (bez\"uglich anderer Formen der Interaktion w\"are noch ``Der Wille zum Wissen''\footnote{\cite{mf1977d}} zu nennen): auch dort geht es um interaktive Best\"atigung, eine Gehorsamkeit, die nicht alleine durch Druck von au\ss{}en erreicht werden kann, sondern die reflexive Entzifferung ben\"otigt. Hier offenbart sich auch die Problematik der Transsexualit\"at, die Hirschauer mit der Arbeit aufzeigt: die Haltung der gesellschaftlichen Ordnung gegen\"uber ist eine konservative, es erfolgt klassischerweise kein Aufbruch der Geschlechterdichotomie, sondern nur ein Wechsel auf die andere Seite, w\"ortlich ``Nicht kritische Distanz, sondern gr\"o\ss{}te Loyalit\"at zur kulturellen Ordnung kennzeichnet die meisten von ihnen.''\footnote{\cite[S. 52]{hirsch1999}}, wobei er allerdings auch Alternativen beobachtet. \section{Schlusswort} \begin{quote} [\dots] For every girl who takes a step toward her liberation, there is a boy who finds the way to freedom a little easier. Adapted from a poem by Nancy R. Smith. \footnote{CrimethInc. Gender Subversion Kit \#69-B. \href{http://crimethinc.com/}{http://crimethinc.com/}. Dank an die Basisgruppe Informatik (\href{http://diebin.at/}{/bin}) f\"ur den Aushang } \end{quote} \subsection{Zusammenfassung} Kurz gefasst lassen sich also drei Punkte ausmachen: die Geschlechterdarstellung ist an keine bestimmten Merkmale gebunden, sondern wird immer wieder neu konstruiert; die dichotome Genderinszenierung erfordert von dem/der DarstellerIn und dem/der BetrachterIn interaktiv bestimmte Verhaltensweisen, die erst Gender eindeutig bedingen (nach Birdwhistell ``terti\"are Geschlechtsmerkmale'', \"ahnlich den ``kulturellen Genitalien'' von Kessler/McKenna); und die Beobachtung dieser Inszenierung am Lernprozess von Transsexuellen zeigt in besonderem Ma\ss{}e die Problematik der dichotomen Geschlechterinszenierung auf, da es gesellschaftlich keine Alternative zu den beiden etablierten (sozialen) Geschlechtern gibt, {\em tertium non datur}. \subsection{Pers\"onliche Betrachtungen} \begin{quote} [\dots] \\ I've got more than one membership\\ To more than one club\\ And I owe my life\\ To the people that I love\\ He looks me up and down\\ Like he knows what time it is\\ Like he's got my number\\ Like he thinks it's his\\ He says,\\ Call me, Miss DiFranco,\\ If there's anything I can do\\ I say,\\ It's Mr. DiFranco to you\\ {}[\dots] \\ Ani DiFranco\footnote{\cite[In Or Out, ]{difranco1992}} \end{quote} Die Grundfrage der Genderproblematik besch\"aftigt mich seit meinem zehnten Lebensjahr -- einerseits im Zusammenhang einer Unzufriedenheit mit den Geschlechterdifferenzen in der unmittelbaren Umgebung, aber auch in Literatur und Nachrichten, andererseits im pers\"onlichen Umgang, mit Rollenklischees, die ich nicht \"ubernehmen konnte und wollte, Interaktionsschemata, die mir nicht egalit\"ar erschienen. Sp\"ater lernte ich Feminismus und Splitting, Fraueninitiativen und LesBiSchwulenreferentInnen kennen, wobei erstere mir auf Grund des Gender verschlossen blieben (ein entsprechendes Treffen im Streiksemester 1996 blieb ein eher traumatisches Erlebnis) und letztere mich auf Grund heteronormativer Sozialisierung nicht besonders anzogen; die mehr theoretische Besch\"aftigung mit der Materie schob ich lange Zeit auf, obwohl Genderpolitik, Feminismus und Frauenf\"orderung immer wieder mein Interesse erregten. Das Seminar zum Gender Mainstreaming war eine willkommene Gelegenheit, Vers\"aumtes nachzuholen, den Genderbegriff zu \"uberdenken und an Hand von Hirschauer und Connell kritische M\"annerforschung und Gender Studies nachzulesen und zumindest kognitiv der Genderdichotomie zu Leibe zu r\"ucken. Wie jedEr wei\ss, die/der es versucht hat, ist das allerdings leichter, als die eigenen impliziten Vorurteile zu erkennen und zu beseitigen, geschweige denn gesellschaftliche Ver\"anderungen weg von einer Geschlechterdualit\"at und hin zu einem egalit\"aren Menschenbild zu bewirken und eine Gesellschaft aufzubauen, in der ein soziales Geschlecht keine Relevanz f\"ur die Bewertung einer Person und deren Handlungen oder die Aufnahme in eine Gruppe hat. \clearpage \section{Bibliographie} \nocite{*} %\def\btxeditionlong{Auflage} \def\btxeditionlong{} \def\btxeditionshort{Aufl.} \def\Btxinlong{in} \def\Btxinshort{i.} \def\btxandlong{und} \def\btxandshort{u.} \def\btxeditorshort{Hrsg.} \def\btxeditorlong{Hrsg.} \def\btxeditorslong{Hrsg.} \def\btxeditorsshort{Hrsg.} % \bibliographystyle{gerapali} % (uses file "plain.bst") %\footbibliographystyle{geralpha} % (uses file "plain.bst") %\footbibliography{gm_sem} %amsra.bst %amsrn.bst %amsrs.bst %amsru.bst %amsry.bst %amsxport.bst \bibliographystyle{jurabib} % (uses file "plain.bst") \bibliography{gm_sem} \end{document}